Herausforderungen in Armee und Zivilschutz

Im Zentrum der Jahresversammlung der interkantonalen Regierungskonferenz Militär, Zivilschutz und Feuerwehr (RK MZF) vom 4. Mai 2018 in der Benediktinerabtei Disentis standen die Entscheidung über die Einführung eines obligatorischen Orientierungstages für Schweizerinnen sowie die Klärung von Aufgaben im Zusammenhang mit der neu eingeführten Mobilmachung als Folge der Weiterentwicklung der Armee (WEA). Im Beisein des Chefs VBS, Bundesrat Guy Parmelin, wurden zudem Massnahmen zur Hebung der Zivilschutzbestände und die Schaffung eines Sanitätsdienstes im Zivilschutz erörtert.

Die für die kantonalen Militärbelange, den Zivilschutz und das Feuerwehrwesen zuständigen Regierungsmitglieder der Kantone entschieden an ihrer Jahreskonferenz in Disentis über die Weiterentwicklung des Orientierungstages. Seit Mai 2017 hatte eine breit aufgestellte Arbeitsgruppe mehrere Optionen geprüft. Eine davon war die Einführung eines obligatorischen Orientierungstages für Schweizerinnen. Ein auswärtiges Rechtsgutachten legte dar, dass dafür eine Verfassungsänderung erforderlich ist. Die Plenarversammlung der RK MZF entschied daher, auf die Einführung eines Obligatoriums zu verzichten. Stattdessen ist eine Option gewählt worden, die alle Kantone verpflichten soll, nicht stellungspflichtige Schweizerinnen zum Orientierungstag einzuladen. Der Orientierungstag soll wie bisher für Frauen freiwillig sein. Ihre Teilnahme soll als Amtstermin gelten. Damit ist eine Minderung der Nachteile ihrer Teilnahme (z. B. Lohneinbussen) verbunden. Diese Massnahmen bedingen nun Anpassungen am Obligationenrecht bzw. am Erwerbsersatzgesetz.

Die Verordnung über die Mobilmachung (VMob) regelt die Aufgaben und Pflichten der Kantone, Gemeinden und Privatpersonen bei Pikettstellung und Mobilmachung. Sie gründet auf den einschlägigen Artikeln des Militärgesetzes (MG). Im MG wird die Mobilmachung zum Assistenzdienst bisher nicht beschrieben. Der Assistenzdienst ist jedoch für die Kantone deshalb wichtig, weil sie dadurch bei der Bewältigung von Katastrophen, Spitzenbelastungen oder von Aufgaben, welche die Behörden mangels geeigneter Personen oder Mittel nicht zu bewältigen im Stande sind, von der Armee unterstützt werden können. In der VMob erscheinen heute keine präzisen Verantwortlichkeiten oder konkrete Mobilmachungsprozesse. Unter der Leitung der RK MZF wurden nun die Grundlagen dafür geschaffen, die bisherigen rechtlichen Lücke bis zur Anpassung von MG und VMob zu überbrücken. Zugleich wurden die Aufgaben der Kantone und Gemeinden bei der Mobilmachung definiert. Die Umsetzung dieser Massnahmen soll Ende 2020 abgeschlossen sein.

Besondere Herausforderungen stellen die sinkenden Zivilschutzbestände. Konnten im Jahre 2010 noch 8’117 Personen für den Zivilschutz rekrutiert werden, waren es 2017 nur mehr 4’805. Die Ursachen für diesen Rückgang sind noch nicht abschliessend geklärt. Langfristig dürften aber nur Anpassungen des Dienstpflichtsystems zu einer nachhaltigen Lösung führen. Im Zusammenhang mit dem Bericht der Studiengruppe Dienstpflichtsystem empfahl die RK MZF bereits im November 2016 nicht nur das „Norwegische Modell“, sondern auch das Modell „Sicherheitsdienstpflicht“ zu prüfen. Letzteres könnte mittels Zusammenlegung von Zivilschutz und Zivildienst zum „Katastrophenschutz“ zu einer Vereinfachung des heutigen Systems führen. Entgegen der Empfehlung der Kantone entschied der Bundesrat am 28. Juni 2017 auf das „Norwegische Modell“ zu fokussieren. Dieses Modell sieht unter anderem die Einführung der Militär- und Schutzdienstpflicht für Schweizerinnen vor. Die Plenarversammlung der RK MZF unterstrich daher in Disentis ihre Empfehlung, vom Bundesrat das Modell „Sicherheitsdienstpflicht“ im Rahmen der Arbeitsgruppe „Folgeaufträge zur Weiterentwicklung des Dienstpflichtsystems“ zu prüfen.

Zum Betrieb von 100 sanitätsdienstlichen Schutzanlagen zur Unterstützung des Gesundheitswesens im Katastrophenfall über einen längeren Zeitraum braucht rund 8000 zusätzliches Milizpersonal. Nach Meinung des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz (BABS) kann diese Aufgabe nur der Zivilschutz als strategisches Durchhalteelement der Kantone sicherstellen. Die RK MZF teilt diese Ansicht. Daher soll die Wiedereinführung eines anlagegebundenen Sanitätsdienstes im Zivilschutz von Bund und Kantonen gemeinsam geprüft und ein entsprechender Bericht der RK MZF an ihrer nächsten Jahreskonferenz im Mai 2019 vorgelegt werden. Indes betont die RK MZF, dass die heutige Bestandessituation im Zivilschutz eine Wiedereinführung des Sanitätsdienstes im Zivilschutz kaum möglich macht.

Auch die Schutzbauten, die in Schutzanlagen und öffentliche Schutzräume unterteilt werden, stellen heute eine Herausforderung dar. Das BABS will eine umfassende Schutzbautenstrategie erarbeiten. Dabei sollen neben dem Bedarf auch topographische, geographische und politische Gegebenheiten berücksichtigt werden. Überzählige Schutzanlagen sollen soweit sinnvoll für andere Bevölkerungsschutzaufgaben umgenutzt werden, z.B. als öffentliche Schutzräume. In Zusammenarbeit mit den Kantonen soll eine Auslegeordnung vorgenommen und Auswahlkriterien definiert sowie Bedarfsplanungen konkretisiert werden. Die RK MZF nahm dieses Vorgehen zur Kenntnis.

Die Mitglieder der RK MZF wurden vom Chef VBS, Bundesrat Guy Parmelin, über die aktuellen Themen der Sicherheitspolitik und des Bevölkerungsschutzes informiert. Der Vizedirektor des NDB, Jürg Bühler, nahm Stellung zu den aktuellsten sicherheitspolitischen Bedrohungen. Der Chef der Armee, Korpskommandant Philippe Rebord, lieferte einen Standbericht zur Umsetzung der WEA. Der Direktor des BABS, Benno Bühlmann, informierte über die zentralen Herausforderungen im Bevölkerungsschutz.

Die Plenarversammlung wählte den Luzerner Regierungsrat Paul Winiker zu ihrem neuen Vizepräsidenten. Er tritt damit die Nachfolge des 2017 aus dem Vorstand ausgeschiedenen Bündner Regierungsrates Dr. Christian Rathgeb an.