Schaffung eines permanenten nationalen Krisenstabes – Wiedererwägungsgesuch der RK MZF an den Bundesrat

Mit Schreiben vom 1. Juni 2022 haben wir uns an die Chefin VBS, Frau Bundesrätin Viola Amherd, gerichtet. Dies mit der Empfehlung, der Bundesrat möge einen permanenten nationalen Krisenstab schaffen. Wir baten darum, diese Empfehlung in den Bundesrat einzubringen.

Für das Antwortschreiben der Chefin VBS vom 15. Juni 2022 möchten wir uns bedanken. Darin hält sie fest, dass der Bundesrat die Notwendigkeit zur Optimierung seiner Krisenführung anerkennt und dazu die entsprechenden Aufträge erteilt hat. Weiter führt sie an, dass je nach Thema der Krise, „ein massgeschneiderter Krisenstab unter der Leitung eines Departements und unter Einbezug der nötigen Expertise und kantonalen Stellen“ eingesetzt werden soll.

Die RK MZF begrüsst die vom Bundesrat eingeleiteten Schritte zur Optimierung seiner Krisenführung. Insbesondere begrüssen wir, dass die Bundeskanzlei am 22. Juni 2022 empfohlen hat, Varianten für die Organisation des Krisenmanagements der Bundesverwaltung auf strategischer und operativer Ebene zu erarbeiten und dem Bundesrat bis Ende März 2023 ein entsprechendes Aussprachepapier vorzulegen.[1]

Die RK MZF bringt jedoch kein Verständnis dafür auf, dass der Bundesrat am Grundsatz der departementalen Krisenorganisation festhalten will. Dies ungeachtet der negativen Erfahrungen aus der Bewältigung der Covid-Pandemie. So haben die Kantone unter anderem im Schlussbericht der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) vom 25. März 2022 mit Nachdruck darauf hingewiesen, dass der Departementalismus, der in der Covid-19-Pandemie gelebt wurde, mehr Nachteile als Vorteile erzeugte und kritisch hinterfragt werden muss.

Auch der erste Auswertungsbericht der Bundeskanzlei hält dazu wörtlich fest: „So wurde das Krisenmanagement weitgehend von departementalen Krisenstäben übernommen, obwohl die Krisenbewältigung aufgrund des Krisenausmasses interdepartemental hätte angegangen werden müssen. Der Departementalismus und das Silodenken nahmen im Krisenmanagement der Bundesverwaltung mit zunehmender Dauer der Krise zu.“[2]

Im Schreiben der Chefin VBS vom 15. Juni 2022 heisst es zudem: „Die Erfahrungen mit übergeordneten permanenten Krisenstäben im Regierungssystem der Schweiz, das nach Departementen organisiert ist, legen es nahe, bei diesem Grundsatz zu bleiben.“ Dazu stellen wir fest, dass auch die Kantone nach Departementen organisiert sind. Unsere langjährigen positiven Erfahrungen mit den Führungsorganisationen (KFO) in der Bewältigung von Katastrophen und Notlagen verweisen deutlich auf die hohe Bedeutung Departement übergreifender Führungsstäbe. Daher ist damit zu rechnen, dass die Kantone ihre KFO weiter stärken. So hält beispielsweise ein Bericht des Kantons Nidwalden fest, es sei „ein neues Verständnis für den KFS als eine Krisenorganisation zu schaffen, die ein ganzheitliches Krisenmanagement sicherstellt, und dies unter Berücksichtigung rechtlicher, politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Perspektiven“.[3] Dies dürfte auf Ebene des Bundes nicht anders sein.

Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) der eidgenössischen Räte vom 17. Mai 2022 kommt zu einem eindeutigen Ergebnis. Sie betont, die Arbeit in Departementstrukturen berge das Risiko, „dass das Krisenmanagement aufgespalten wird und es den getroffenen Massnahmen an allgemeiner Kohärenz fehlt bzw. dass der Bundesrat das Krisenmanagement nur passiv, d.h. auf der Grundlage der Einzelanträge der Departemente, steuert.“[4] Dass das Krisenmanagement nicht in eigens dafür vorgesehenen Strukturen erfolgt, so die GPK, könne sich „als problematisch erweisen für die Transparenz der Beschlussfassung sowohl innerhalb der Verwaltung als auch gegenüber dem Parlament und der Bevölkerung“.[5] Zudem wird festgehalten, dass „mit den in der Krisenorganisation vorgesehenen bereichsübergreifenden Organen wie dem Bundesstab Bevölkerungsschutz (BSTB) (…) nach Ansicht der GPK gerade ein ausgewogenes Krisenmanagement gewährleistet werden soll, das möglichst allen Interessen Rechnung trägt, d.h. den Interessen aller Departemente, aber auch denjenigen der Kantone und anderer externer Akteure. Diese Organe stellen eine Art Gegengewicht zur zentralen Rolle dar, die das federführende Departement zu Recht im Krisenmanagement spielt“.[6] Da der BSTB nicht wie vorgesehen gearbeitet hatte, war die Anschlussfähigkeit der KFO beschränkt.[7]

Aufgrund der Erfahrungen in der Bewältigung der Covid-Pandemie und vor dem Hintergrund der Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg (Flüchtlingssituation, drohende Mangellage in der Energieversorgung) empfahl die RK MZF in ihrem Schreiben vom 1. Juni 2022, einen permanenten nationalen Krisenstab zu schaffen. Trotz aller Erkenntnisse, Einsichten und Rückmeldungen scheint der Bundesrat an der bisherigen problematischen Organisation der Krisenbewältigung festhalten zu wollen. Dies ist uns unverständlich.

Empfehlung

Die RK MZF erlaubt sich daher, dem Bundesrat nochmals zu empfehlen, möglichst zeitnah einen permanenten nationalen Krisenstab zu schaffen.

 

[1]  Bericht zur Auswertung des Krisenmanagements der Bundesverwaltung in der Covid-19-Pandemie (2. Phase), 22. Juni 2022, S. 47ff.

[2] Bundeskanzlei, Bericht zur Auswertung des Krisenmanagements in der Covid-19-Pandemie (1. Phase) 11. Dezember 2020, S. 12.

[3] Covid-19-Krisenmanagement im Kanton NW, Bericht zuhanden des Regierungsrats des Kantons Nidwalden, 15. Juni 2022, S. 10.

[4] Krisenorganisation des Bundes für den Umgang mit der Covid-19-Pandemie, Bericht der GPK der Eidg. Räte, 17. Mai 2022, S. 5, 105.

[5] Ebd.

[6] Ebd., S. 107.

[7] Covid-19-Krisenmanagement im Kanton NW, Bericht zuhanden des Regierungsrats des Kantons Nidwalden, 15. Juni 2022, S. 33.